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Absage an SPD und Linke

15.03.2018

DB verkauft S-Bahn nicht an das Land Berlin
Wird bei der Berliner S-Bahn alles besser, wenn sie dem Land gehört? Bei der SPD und der Linken gibt es Abgeordnete, die so denken und den Senat auffordern, über eine Übernahme zu verhandeln. Am Donnerstag im Verkehrsausschuss war es Daniel Buchholz (SPD), der sich für eine Kommunalisierung aussprach. Doch S-Bahn-Chef Peter Buchner machte klar, dass die Deutsche Bahn (DB) das Tochterunternehmen nicht verkauft. „Mobilität ist ihr Kerngeschäft. Sie will weiterhin S-Bahnen in Berlin betreiben“, sagte er. Kommunale Unternehmen seien nicht an sich besser als andere, pflichtete Christfried Tschepe vom Fahrgastverband IGEB bei. Das zeigten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), bei denen die U-Bahn unter Fahrzeugmangel leidet.

Für die Fahrgäste der Linien S5, S7 und S75 hatte der Tag wieder mit einer schlechten Nachricht begonnen. „Nach einer Störung am Zug in Nöldnerplatz kommt es zu Verspätungen und auch Ausfällen, bitte etwas Geduld“, twitterte die S-Bahn Berlin am Morgen. Wenige Stunden später kam im Abgeordnetenhausder Verkehrsausschuss zusammen, um über das nach der U-Bahn zweitwichtigste Verkehrsmittel in der Hauptstadt-Region zu reden.

Wie ist die Lage? „Schlecht“, sagte Christfried Tschepe vom Berliner Fahrgastverband IGEB. Schadhafte Züge, Weichen- und Signalstörungen, Personalmangel: Das gehöre zum Alltag. Auch gebe es mehr als 28 Jahre nach dem Mauerfall diverse eingleisige Abschnitte, die auf Krieg und Teilung zurückgehen.

Zögern belastet Steuerzahler

„Wir sehen deutliche Defizite“, pflichtete Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) bei. Die Zahl der Unregelmäßigkeiten habe sich mehr als verdreifacht: „2008 wurden 18.135 Störungen registriert, 2017 waren es 57.129.“

Muss die S-Bahn neu organisiert werden? „Diese Diskussion hat es schon 2010 gegeben“, so Tschepe. „Jahre gingen ins Land, ohne dass der Senat eine Entscheidung traf.“ Neue Züge seien nun erst ab 2021 angekündigt. „Unsere Sorge ist, dass jetzt wieder zu lange diskutiert wird“ – und auch die folgende Fahrzeuggeneration viel zu spät kommt.

Damals wie heute gibt es in Berlin verantwortliche Politiker, die Ausschreibungen ablehnen, sagen Kritiker. Befürchtet wird, dass Unternehmen mit Profitinteressen im S-Bahn-Betrieb Fuß fassen. Zudem erwarten sie Streit mit Beschäftigten der S-Bahn Berlin GmbH, die um ihre Zukunft bangen. „Bis heute hat Berlin die Grundsatzentscheidung zum Wettbewerb nicht getroffen. Fast ein Jahrzehnt nach der S-Bahn-Krise weiß die Stadt nicht, wie sie vorgehen soll“, kritisierte Matthias Stoffregen von Mofair, einem Verband von DB-Konkurrenten.

Zwar profitiere auch Berlin von Vergabeverfahren: Im Regionalverkehr führten sie dazu, dass es für weniger Geld vom Staat mehr Zugfahrten gibt. Doch als einziges Bundesland gehe die Hauptstadt einen „Sonderweg“. Das belaste Berlins Nahverkehr finanziell, warnte Stoffregen. „Entweder muss der Steuerzahler tiefer in die Tasche greifen, oder es gibt weniger Nahverkehr fürs Geld, Gewinner ist nur der Bundeskonzern DB mit seiner Tochtergesellschaft S-Bahn Berlin GmbH.“

Betriebsrat droht mit Ärger

„Wir setzen alles daran, einen möglichst reibungslosen Verkehr anzubieten“, beteuerte Buchner. Ab April werde ein weiteres Qualitätsprogramm umgesetzt. „Sehr ärgerlich“ finde er die Kritik am Ergebnis der ersten, nach langen Diskussionen erfolgten Ausschreibung. Anders als dargestellt werde der Betrieb auf dem Ring nicht viel teurer. Künftig müssten die Länder für jeden gefahrenen Kilometer 13,58 Euro überweisen, derzeit 12,63. Diese Zahlen, Ergebnis von Umrechnungen, präsentierte Buchner nach der Sitzung. Ohne weiteres seien die Werte für heute und ab 2021 nicht vergleichbar. Derzeit dürfe die S-Bahn die Fahrgelderträge behalten, künftig fließen sie den Ländern zu. Die DB war bei dem Vergabeverfahren als einzige Bewerberin übrig geblieben.

Wie berichtet prüft der Senat neue Zukunftskonzepte. Die meisten sehen vor, die Bereitstellung der Züge und deren Betrieb zu trennen: Ein Unternehmen stellt die neuen S-Bahnen her und hält sie in Schuss, ein anderes stellt das Fahrpersonal. Varianten sehen vor, dass der Fahrzeugpool dem Land gehört. Mit Hilfe einer Markterkundung sucht der Senat nun interessierte Firmen.

„Ende Juni soll das Ergebnis vorliegen“, so Senatorin Günther. Noch vor der Sommerpause wolle sich der Senat für ein Modell entscheiden. April 2019 könnten die nächsten Vergabeverfahren starten. Beschäftigte der S-Bahn Berlin GmbH protestieren gegen die drohende „Zerschlagung“. „Das gibt Ärger“, kündigte Betriebsrat Heiner Wegner an.

Autor/Agentur: Peter Neumann
Quelle: Berliner Zeitung
Medium: Tageszeitung
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