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Berlins S-Bahn bekommt ein neues Gesicht

21.09.2018

Die S-Bahn soll ein neues Erscheinungsbild bekommen. Ab Frühjahr will die Bahntochter einen Großteil ihrer Züge umlackieren lassen.
Berlin. Die Berliner S-Bahn soll ein neues Erscheinungsbild bekommen. Ab Frühjahr nächsten Jahres will die Bahntochter einen Großteil ihrer Züge umlackieren lassen. Das kündigte S-Bahnchef Peter Buchner am Donnerstagabend beim alljährlichen Sprechtag des Fahrgastverbandes Igeb an. Zwar sollen die Traditionsfarben Rot und Gelb erhalten bleiben, allerdings verändert sich die Verteilung (mehr Gelb, weniger Rot) und der Farbton fällt künftig deutlich heller aus als bisher. Die Türen wiederum werden pechschwarz lackiert, das soll die Erkennbarkeit der Eingänge durch Sehbehinderte verbessern. Auch im Inneren soll sich einiges tun: Dort werden unter anderem neue Sitze eingebaut, die dann bahntypische blaue Polster statt der aktuellen hellgrünen Sitzbezüge erhalten sollen. Vorbild für die Umgestaltung ist das Design der neuen S-Bahnzüge der Baureihen 483 und 484, die allerdings erst ab 2021 im regulären Berliner Nahverkehr zu sehen sein werden.

Hintergrund ist das geplante Modernisierungsprogramm, mit dem die S-Bahn 500 ihrer insgesamt 650 Doppelwagen mit Millioneninvestitionen fit für die Zukunft machen will. Betroffen vom „Projekt Langlebigkeit S-Bahn Berlin“ sind dabei die Züge der zwischen 1996 und 2004 ausgelieferten Baureihe 481, die noch mindestens weitere 15 Jahren in Berlin im Einsatz bleiben sollen. Die 80 älteren Doppelwagen der noch für die DDR-Reichsbahn konstruierten Baureihe 485 und die 70 Doppelwagen der einst für die West-Berliner BVG entwickelten Baureihe 480 werden zwar auch technisch ertüchtigt, bekommen wegen der deutlich geringeren weiteren Einsatzdauer keine Designänderungen.

Laut Buchner werden derzeit in der S-Bahn-Hauptwerkstatt in Schöneweide drei Züge der Baureihe 481 als sogenannte Baumuster vorbereitet. Anders als etwa beim Auto-TÜV werden Bahnfahrzeuge für die anstehende Hauptuntersuchung komplett auseinandergenommen. Am Ende steht ein komplett entkernter Wagenkasten da, dessen Längsträger dann saniert werden. Im Führerstand werden teilweise ganze Bauteile herausgetrennt, um vorhandene Roststellen zu beseitigen.

Anschließend werden technische Aggregate, der Fußboden und das übrige Innenleben wieder eingebaut. Komplett erneuert werden dabei die 27.192 Sitze (Gestell und Polster) und 3708 Klappsitze. Die neuen Modelle erhalten dann die bahntypischen blau-dunkelblau karierten Bezüge. Die Verwendung des Standardmusters würde gegenüber der bisherigen-Sonderanfertigung für die S-Bahn einen Betrag in Millionenhöhe sparen. Dieses Geld werde liebe in technische Verbesserungen investiert, so Buchner.

S-Bahnen sollen Videoüberwachung bekommen

Erstmals bei der Berliner S-Bahn werden die Wagen etwa eine Videoüberwachung bekommen, insgesamt 4000 Kameras werden dazu montiert. Der Einbau einer Klimaanlage und neuer Fahrgastinformationssysteme ist aus Kostengründen sowie wegen dann notwendiger neuer zeitaufwendiger Zulassungsverfahren nicht vorgesehen. Und weil zum Abschluss, der Wagen neu lackiert werden muss, hat sich die S-Bahn-Spitze für eine geänderte Farbgebung nach Vorbild der Neubaureihen 483 und 484 entschieden. „Die S-Bahn wird moderner, das soll auch optisch zu sehen sein“, begründete Buchner den Beschluss. Zudem gebe es neue EU-Vorgaben etwa zur Barrierefreiheit von Schienenfahrzeugen, die nun mit umgesetzt werden können. Dazu gehört auch die Schwarzlackierung der Türen, die in Kombination mit optischen und akustischen Signalen Sehbehinderten das Auffinden der Wageneingänge erleichtern soll.

Unter S-Bahn-Fans, aber unten vielen Fahrgästen ist die neue Farbgebung allerdings hoch umstritten. Mathias Hiller von S-Bahn-Museum etwa hält davon gar nichts. „Damit wird ein seit 85 Jahre bestehendes Markenzeichen der Berliner S-Bahn ohne Not zerstört“, kritisiert er. Die aktuell zu sehende Lackierung in Bordeauxrot und Senfgelb mit schwarzen Absatzstreifen ist laut Hiller 1931 entwickelt und ab Mai 1933 bei allen S-Bahnzügen angewendet worden. In der Vergangenheit habe es immer wieder Versuche gegeben, daran etwas zu ändern. Zu DDR-Zeiten erfolgte etwa eine Kaminrot-Lackierung mit anthrazitfarbenen Fensterband, was den Zügen der Baureihe 485 bis heute den Spitznamen „Coladosen“ einbrachte. Und die BVG experimentierte nach der Übernahme des S-Bahnverkehrs im Westteil der Stadt im Mai 1984 mit einer blau-grauen Lackierungen. Nach Protesten wurde dann zu den Traditionsfarben zurückgekehrt. Bei der nun angekündigten Variante ärgert sich Hiller vor allem über die komplett schwarzen Türen, die zu einem unansehnlichen „Gartenzaun-Muster“ führen würden.

S-Bahnchef Buchner verteidigte dagegen die aktuellen Pläne für eine Neugestaltung der Züge. „Keine Marke bleibt über Jahrzehnte unverändert. Wir wollen, dass unsere S-Bahn auch in ihrer Erscheinung moderner und zeitgemäßer wird.“ Die jetzt gewählte Farbgebung sei ein „guter Kompromiss zwischen Tradition und Moderne“. Wer das neue Konzept sich schon einmal ansehen will, sollte die Bahntechnikmesse Innotrans besuchen. Auf dem Freigelände am Messe-Eingang Süd steht der erste Zug der Neubauserie, S-Bahnchef wird am Sonntag von 13 bis 15 Uhr vor Ort und stellt sich den Fragen der Fahrgäste.

Autor/Agentur: Thomas Fülling
Quelle: Berliner Morgenpost
Medium: Tageszeitung
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