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China ist schuld: BVG setzt kürzere Züge ein

07.06.2007

Stahlbedarf in Asien verzögert hier Austausch von Ersatzteilen
Es liest sich wie ein Stück aus dem Tollhaus: Weil das wirtschaftlich prosperierende China weltweit massenhaft Stahl und Schrott aufkauft, müssen sich Fahrgäste in Berlin im Berufsverkehr schon mal drängeln. Etwa auf der U 2 zwischen Ruhleben und Pankow. Auf dieser U-Bahn-Linie setzt die BVG derzeit oft nur Züge mit sechs Wagen ein, üblich sind acht. Grund: Berlins Verkehrsbetriebe haben derzeit kaum noch Züge in Reserve, weil alte Waggons aus DDR-Produktion zu schnell ausrangiert wurden.

Seit Monaten wartet die BVG zudem auf die Auslieferung von 20 im Jahr 2004 bestellten neuen Zügen, die Entlastung bringen sollen. Die Züge der Baureihe HK sind vom Hersteller Bombardier speziell für die Kleinprofillinien U 1 bis U 4 entwickelt worden. Weil die Technische Aufsichtsbehörde Berlins aber höhere Anforderungen an die Qualität der Räder und Achslager stellt, verzögert sich die Auslieferung wohl noch bis Herbst.

Deutlich geworden waren die Qualitätsprobleme im Frühjahr bei den neuen U-Bahnen der Großprofillinien U 5 bis U 9. Die BVG musste 26 Züge der ebenfalls von Bombardier gefertigten Baureihe H kurzfristig aus dem Verkehr ziehen. Grund waren Mängel an den Radsatzlagern. Es bestand gar Brandgefahr. In einer teuren Hauruckaktion ließ die BVG die Achslager in den eigenen Werkstätten austauschen. Als Folge fuhren die Züge auf einigen Linien wochenlang mit weniger Wagen und in längeren Zeitabständen.

Die technischen Mängel sollen bei den neuen HK-Zügen auf jeden Fall vermieden werden. Nun könnte man meinen, dass das Problem mit anderen Rädern und Achsen schnell gelöst werden könnte. Doch der Ersatz ist ein Problem. "Derzeit gibt es keine Achsen und Räder auf dem Markt", sagt BVG-Sprecherin Petra Reetz. Der Weltmarkt für hochwertige Stahlgüter sei praktisch leergefegt. Doch ohne Rädertausch will die Technische Aufsichtsbehörde die neuen Züge nicht freigeben.

Der Fahrgastverband Igeb zeigt Verständnis für die BVG. Zwar drängelten sich "punktuell" auf den betroffenen Linien die Fahrgäste. Aber es sei richtig, dass die BVG gegenüber dem Hersteller eine "unnachgiebige Haltung zeigt und auf Qualität pocht", sagte Igeb-Vorstand Christfried Tschepe. Probleme mit ihren Waggons hat auch die Deutsche Bahn. "Der Stahlmangel ist seit Jahren evident", sagte eine Unternehmenssprecherin. Die Lieferzeit für Radsätze habe sich von früher höchstens 160 Tage auf etwa ein Jahr erhöht. "Das ist einkaufspolitisch eine große Herausforderung", so die Sprecherin. Die Bahn suche international nach neuen Lieferanten. Standzeiten von Personenzügen gebe es wegen fehlender Ersatzteile nicht; im Güterverkehr stünden deshalb derzeit aber rund 100 Wagen still.

Autor/Agentur: Thomas Fülling und Dirk Westphal
Quelle: Berliner Morgenpost
Medium: Tageszeitung
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