[ Zurück ]

China ist schuld an verkürzten U-Bahn-Zügen

06.06.2007

Weil der asiatische Stahlbedarf in Berlin den Austausch von Ersatzteilen verzögert, dürfen sich die Fahrgäste noch mehr drängeln als sonst. Etwa auf der U2 sind oft Züge mit 6 statt 8 Wagen im Einsatz. Dabei gäbe es genug Ersatzwaggons aus alter DDR-Produktion, hätte die BVG sie nicht allzu eilfertig entsorgt.
Es liest sich wie ein Stück aus dem Tollhaus: Weil das wirtschaftlich prosperierende China weltweit massenhaft Stahl und Schrott aufkauft, müssen sich Fahrgäste in Berlin im Berufsverkehr schon mal drängeln. Etwa auf der U2 zwischen Ruhleben und Pankow. Auf dieser U-Bahn-Linie setzt die BVG derzeit oft nur Züge mit sechs Wagen ein, üblich sind acht. Grund: Berlins Verkehrsbetriebe haben kaum noch Züge in Reserve, weil alte Waggons speziell aus DDR-Produktion zu schnell ausrangiert wurden.

Seit Monaten wartet die BVG zudem auf die Auslieferung von 20 bereits im Jahr 2004 bestellten neuen Zügen, die Entlastung bringen sollen. Die vierteiligen Züge der Baureihe HK sind vom Hersteller Bombardier speziell für die Kleinprofillinien U1 bis U4 entwickelt worden. Weil die Technische Aufsichtsbehörde Berlins aber höhere Anforderungen an die Qualität der Räder und Achslager stellt, verzögert sich die Auslieferung der Züge noch bis Herbst.

23 Züge aus dem Verkehr gezogen

Deutlich geworden waren die Qualitätsprobleme im Frühjahr bei den neuen U-Bahnen der Großprofillinien U5 bis U9. Die BVG musste 23 Züge der ebenfalls von Bombardier gefertigten Baureihe H kurzfristig aus dem Verkehr ziehen. Grund waren Mängel an den Radsatzlagern, die bereits vor der vereinbarten Laufleistung von mindestens 250000 Fahr-Kilometern auftraten. In einer teuren Hauruckaktion ließ die BVG die Achslager in eigenen Werkstätten austauschen. Als Folge fuhren die Züge auf einigen Linien wochenlang mit weniger Wagen und in längeren Zeitabständen. Derartige Mängel sollen bei den HK-Zügen auf jeden Fall vermieden werden. Nun könnte man meinen, dass das Problem mit neuen Rädern und Achsen schnell gelöst werden könnte. Doch der Ersatz ist ein Problem. „Derzeit gibt es keine Achsen und Räder auf dem Markt“, sagt BVG-Sprecherin Petra Reetz. Der Weltmarkt für hochwertige Stahlgüter sei praktisch leergefegt. Doch ohne Rädertausch will die Aufsichtsbehörde die neuen Züge nicht freigeben. Der Fahrgastverband Igeb zeigt Verständnis für die BVG. Zwar drängelten sich „punktuell“ auf den betroffenen Linien die Fahrgäste. Aber es sei richtig, dass die BVG gegenüber dem Hersteller eine „unnachgiebige Haltung zeigt und auf Qualität pocht“, so Igeb-Vorstand Christfried Tschepe.

Probleme mit ihren Waggons hat auch die Deutsche Bahn. „Der Stahlmangel ist seit Jahren evident“, sagte eine Unternehmenssprecherin. Die Lieferzeit für Radsätze habe sich von früher höchstens 160 Tagen auf etwa ein Jahr verlängert. „Das ist einkaufspolitisch eine große Herausforderung“, so die Sprecherin. Die Bahn suche international nach neuen Lieferanten. Ausfallzeiten von Personenzügen gebe es wegen fehlender Ersatzteile nicht; im Güterverkehr stünden deshalb derzeit aber rund 100 Wagen still.

Autor/Agentur: Thomas Fülling und Dirk Westphal
Quelle: Die Welt
Medium: Tageszeitung
[ Zurück ]