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Stammkunden zahlen mehr, Schüler nicht

05.12.2007

BVG und S-Bahn erhöhen Fahrpreise in Berlin um 1,8 Prozent / Vier-Fahrten-Karte wird wieder eingeführt
Zuerst die guten Nachrichten: In Berlin wird die vor zehn Jahren abgeschaffte Vier-Fahrten-Karte für den Nahverkehr wieder eingeführt. Das neue Sammelticket gibt es vom 1. April 2008 an für acht Euro - damit kostet eine Fahrt zehn Cent weniger als heute. Außerdem bleiben in Berlin der Einzelfahrschein, die Tageskarte sowie das Schüler- und Geschwisterticket von der Preiserhöhung im kommenden Frühjahr verschont. Dafür müssen vor allem die Käufer von regulären Umwelt- und anderen Zeitkarten mehr zahlen. "Stammkunden werden überproportional zur Kasse gebeten", bemängelte der Berliner Fahrgastverband IGEB. Er vermisste die versprochene Reform der Tarifstruktur.

Der Senat hat den jüngsten Vorschlag der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und der S-Bahn gestern zur Kenntnis genommen. Morgen berät der Aufsichtsrat des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg darüber - eine Zustimmung gilt als sicher. "Wir sind froh, dass die Fahrpreiserhöhung so moderat ausfällt", sagte Manuela Damianakis, die Sprecherin von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). In Berlin steigen die Tarife im April laut BVG um 1,8, im Land Brandenburg um 2,8 Prozent.

Außer der Sammelkarte gebe es noch eine weitere Neuerung: Derzeit müssen Jugendliche schon ab 14 Jahren den vollen Preis zahlen, künftig erst ab 15 Jahren. Familienfreundlich sei auch die Regelung, die Schülertarife in Berlin weiterhin nicht anzutasten. Der Preis der Geschwisterkarte ist schon seit 2003, der des Schülertickets seit 2004 nicht mehr angehoben worden.

Der Einzelfahrschein, das Jahresabo und die Jahreskarte waren in Berlin seit 2005 preisstabil. Die anstehende Tariferhöhung liege unterhalb der Inflationsrate, teilte Senatssprecher Richard Meng mit.

Trotzdem gibt es heftige Kritik. Mit den Stammkunden "sollen erneut diejenigen belastet werden, die sich umweltschonend fortbewegen", sagte Claudia Hämmerling von den Grünen. Nach einer Auflistung der IGEB kostete die preiswerteste Berliner Monatskarte vor zehn Jahren umgerechnet rund 47,90 Euro. Von April an sind es 72 Euro - eine Verteuerung um die Hälfte. Mit gerade mal fünf Prozent biete die neue Vier-Fahrten-Karte nur einen "sehr mageren Rabatt", sagte Stefan Kohte vom Verkehrsclub Deutschland: "Das ist kein Kaufanreiz."

Jutta Matuschek (Linksfraktion) kritisierte, dass die Verkehrsbetriebe einen Beschluss des Abgeordnetenhauses weiterhin ignorieren. Danach soll der Kurzstrecken-Fahrschein im Bus- und Straßenbahnverkehr zum Umsteigen berechtigen. "Dies würde der Tatsache Rechnung tragen, dass viele Fahrgäste seit Einführung des Metrolinienkonzepts vor drei Jahren öfter umsteigen müssen", sagte die Verkehrspolitikerin. "Stattdessen wird die Kurzstrecke zehn Cent teurer."

"Frau Junge-Reyer hat sich sehr weit aus dem Fenster gelehnt und von den Betrieben eine neue Tarifstruktur mit zuätzlichen Angeboten gefordert. Doch außer der Sammelkarte ist nichts dabei herausgekommen", sagte Matthias Horth vom Fahrgastverband. So hatte die Senatorin verlangt, dass der Einzelfahrschein wie bis 2004 nicht nur für eine Hin-, sondern auch für die Rückfahrt gilt. Dann müsste der Preis in Berlin aber von 2,10 auf 2,30 Euro steigen, entgegneten BVG und S-Bahn - was der Senat ablehnte.

"Obwohl Senioren-Abos anderswo sehr erfolgreich sind, gibt es in Berlin weiter kein Angebot für diese Altersgruppe", bemängelte Kohte. Das Zehn-Uhr-Ticket sei zwar preiswerter als eine reguläre Monatskarte, aber "überdurchschnittlich teuer und nicht im Abo erhältlich", sagte Matthias Horth. Vergleichbare Tickets gelten in Potsdam ab neun, in Cottbus sogar schon ab acht Uhr.

Die Rückfahrmöglichkeit beim Einzelfahrschein sowie das Thema Seniorentarif seien "nicht vom Tisch", sagte Damianakis gestern. "Ob und in welcher Form beides möglich ist, sollen nun Marktforschungsuntersuchungen ausloten."

Autor/Agentur: Peter Neumann
Quelle: Berliner Zeitung
Medium: Tageszeitung
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