Pressedienst vom 31. Januar 2001

Lauter Verlierer

Stellungnahme des Berliner Fahrgastverbandes IGEB zum VBB-Tarifchaos

Am 30. Januar wollte der VBB-Aufsichtsrat abschließend über die Erhöhung der Bahn- und Bustarife in Berlin und Brandenburg entscheiden. Aber der Aufsichtsrat vertagte die Entscheidung um zwei Wochen, da er von der Berliner Seite mit neuen Tarifvorschlägen überrascht wurde, die der Senat erst wenige Stunden zuvor beschlossen hatte.

Verlierer Diepgen
In den letzten Wochen hatten sich der Regierende B?rgermeister Eberhard Diepgen, der Verkehrssenator Peter Strieder und der Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner gegen VBB-Tariferhöhungen in diesem Jahr ausgesprochen. Doch heute beschloss der Berliner Senat ein Konzept, dass für die meisten Fahrgäste deutlich höhere Tarife vorsieht. Die Herren Diepgen, Strieder und Branoner haben also verloren - nicht zuletzt ein Stück Glaubw?rdigkeit.

Verlierer VBB
Im Vorfeld jeder VBB-Tariferhöhung gibt es zwischen den Ländern, Landkreisen und Verkehrsbetrieben stets ein Hauen und Stechen. Nahezu täglich schwirren neue Tarifvorschläge durch Berlin und Brandenburg. Die Verbundgesellschaft ist offensichtlich nicht in der Lage, diesen Prozess zu strukturieren und zu moderieren. Teilweise liegt das an den unzulänglichen Strukturen des Verbundes, teilweise an personellen Fehlbesetzungen. So ist das Chaos vorprogrammiert - wie am 30. Januar geschehen.

Verlierer Fahrgäste
Eine falsche Verkehrs-, Umwelt-, Sozial- und Finanzpolitik der Länder Berlin und Brandenburg hat dazu geführt, dass weder bei den Fahrgastzahlen noch bei den Tarifeinnahmen die angestrebten Zuwächse erreicht wurden. Den Politikern und Verkehrsbetrieben aber fallen als Reaktion stets nur neue Tariferhöhungen ein. So waren die Preissteigerungen für Bahnen und Busse in Berlin seit 1995 sechs Mal so hoch wie die allgemeinen Preissteigerungen. Für alle Unzulänglichkeiten und Fehlentscheidungen zahlen nicht die Verantwortlichen, sondern die Fahrgäste. Sie werden auch nach diesem Tarifstreit wieder die Verlierer sein.

Schluss mit der Preistreiberei!
Sowohl die Struktur als auch die Höhe der zum 1. August geplanten Tarife werden vom Berliner Fahrgastverband IGEB entschieden abgelehnt - mit einer Ausnahme.
Kernpunkte der IGEB-Kritik:

  1. Die Einzelfahrscheine (ermäßigt) sind beim VBB schon heute die teuersten in Deutschland - doch sie sollen noch teurer werden. Für ein Kind, das von Köpenick nach Erkner oder von Potsdam nach Zehlendorf fährt, sollen künftig DM 3,10 bezahlt werden. In Bayern zahlen Kinder für eine Tageskarte (!) im gesamten (!) MVV-Netz, also München und Umland, nur DM 3,20.
  2. Fast in allen Verbundräumen gibt es attraktive Gruppentarife, meist billiger als in Berlin und Brandenburg. Doch VBB und Senat treiben es nun auf die Spitze: Sie wollen die Groß- und Kleingruppenkarten sogar abschaffen. Besondere Ironie: BVG, S-Bahn und DB warben in letzter Zeit offensiv für den Kleingruppentarif. Zitat: "Einmal zahlen - fünfe fahren. Jedem Interessentenkreis bieten wir - günstig kalkuliert - die angepassten Tickets."
  3. Die Einführung einer BerlinCard wäre kein Fortschritt, denn sie fördert das Barzahler-Unwesen: Automat suchen, Taste suchen, Kleingeld suchen - Zug ist weg ... Viel wichtiger sind preiswerte und bequeme Zeitkarten - für alle.
  4. Der einzige Lichtblick unter allen Vorschlägen sind die Pläne für deutlich verbilligte Schülermonatskarten. DM 45,00 für das erste Kind und DM 30,00 für alle Geschwisterkinder, für diesen Vorschlag verdient Verkehrssenator Peter Strieder ein dickes Lob - falls er ihn beim VBB-Aufsichtsrat durchsetzen kann.

Gerhard J. Curth, Vorsitzender
Christfried Tschepe, Stellv. Vorsitzender
Jens Wieseke, Abteilungsleiter Stadtverkehr

© Berliner Fahrgastverband IGEB e.V.