Pressemitteilung vom 12. Juli 2006

Konzeption für die schienengebundene Anbindung des geplanten Großflughafens Berlin-Brandenburg-International (BBI)

Einleitung

Am 5. September 2006 soll der obligatorische Spatenstich und damit zugleich der Baubeginn für den Großflughafen Berlin-Brandenburg-International (BBI) in Schönefeld bei Berlin erfolgen. Obwohl dieser Standort bei allen durchgeführten Standortuntersuchungen als Schlechtester abschnitt und das Festhalten aller Beteiligter vom Bund über die Länder Berlin und Brandenburg bis zur Flughafengesellschaft im Gegensatz zum Istzustand zum Verlust der 24-Stunden-Betriebsgenehmigung führen wird, muss die Umsetzung der geplanten unterirdischen Schienenanbindung auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft werden.

Derzeitige offizielle Planung

Die Hauptanbindung soll vom Hauptbahnhof über den Potsdamer Platz, den Bahnhof Südkreuz, die Dresdener Bahn incl. der sog. Mahlower Kurve und dem südlichen Berliner Außenring durch Express-Züge im 15-Minuten-Takt erfolgen. Die Anbindung über Adlershof und Schöneweide bleibt unverändert.

Unter dem Terminal ist ein unterirdischer Fern- und Regionalbahnhof mit zwei Bahnsteigen, die über eine Länge von jeweils 430 Meter sowie zwei Aufstellgleisen über 230 Meter Länge und ein S-Bahnsteig vorgesehen. Auf die Anbindung der Fern- und Regionalbahngleise an die Görlitzer Bahn wird bis auf weiteres verzichtet. Somit wird der neue Bahnhof im Gegensatz zur ursprünglichen Planung zwangsläufig zum Sackbahnhof.

Die Schwachstellen der offiziellen Planung

Da wegen der Einschränkung der Betriebszeiten an die Entstehung eines Luftkreuzes nicht mehr zu denken ist, wird nur noch mit einer Umsteigequote von 5% gerechnet.

In dieser geographischen Lage kämen im SPFV allenfalls ICE-Anbindungen von Hamburg und dem Großraum Hannover in Betracht, da sowohl die Anhalter- als auch die Dresdener Bahn an ihm vorbeiführen. Auch in den beiden o. g. Relationen würden nicht mehr als 5% der Reisenden den Flughafen zum Ziel haben.

Die SPFV-Anbindung ist nur als Durchgangsbahnhof sinnvoll, sonst gar nicht!

Beim derzeitigen Verkehrsangebot kämen zwei Zugpaare in Betracht:

IC 240/241 von Hamburg über Berlin und Cottbus nach Krakau und IC 2131/2132 von Cottbus über Berlin und Magdeburg nach Norddeich.

Eine wirtschaftliche Betriebsführung des Tiefbahnhofs ist somit nicht möglich und DB-Fernverkehr als auch andere Verkehrsunternehmen sind unter den geplanten Bedingungen an einer Bedienung des Flughafenbahnhofs nicht interessiert.

In diesem geplanten Endzustand ist keine sinnvolle Fernverkehrsanbindung möglich. Die 430 m langen Bahnsteige sind somit sinnlos und stellen eine Steuerverschwendung sondergleichen dar.

Flughafendimensionierung und verkehrliche Auswirkungen

Der geplante Gebäudetrakt ist für eine Fluggastzahl von 25 Mio Personen p. a. dimensioniert. Bei 100%tiger Kapazitätsauslastung würden folglich ca. 68500 Personen den Flughafen täglich anfahren bzw. ihn verlassen. Bei einem angestrebten Modal-Split von 50% für den ÖPNV wären dies 34250 Benutzer täglich. Da auch Busverbindungen zu berücksichtigen sind, soll von einer täglichen maximalen SPNV-Fahrgastzahl von 30000 Personen ausgegangen werden.

Bedingt durch die gegebene Bevölkerungsstruktur und –verteilung Berlins würden ca. 60% der SPNV-Reisenden den Weg über die Dresdner Bahn und ca. 40% über die Görlitzer Bahn wählen. Würden beide Verkehrsachsen über einen täglichen Betriebszeitraum von 20 Stunden im 20-Minuten-Takt betrieben, ergäbe sich pro Zug eine durchschnittliche Auslastung von 150 Personen über die Dresdener Bahn und 100 über die Görlitzer Bahn. Betrachtet man die heute hier verkehrenden S-Bahnen der Linien S45 und S9, so kann beobachtet werden, dass im Durchschnitt weniger als 50 Personen am Bahnhof Berlin-Flughafen Schönefeld aus- oder zusteigen. Die Ursachen liegen einerseits in der wesentlich geringeren Reisegeschwindigkeit gegenüber den „Flughafen-Express-Regionalzügen“, die von den auf dem Schienenweg anreisenden Fluggästen bevorzugt werden. Der S-Bahnhof Grünbergallee liegt in Randlage zur Besiedlung und weist deshalb ein geringes Fahrgastpotential auf, der S-Bahnhof Altglienicke weist zwar mehr Potential auf, was jedoch die Strecke Altglienicke-Berlin-Flughafen-Schönefeld nicht

S-Bahnwürdigkeit ist demzufolge in Frage zustellen, zumindest aber der angebotene 10-Minuten-Takt.

Optimales Verkehrs- und Betriebskonzept

Da BBI nur schwerlich von Zügen des Fernverkehrs angefahren werden wird und ein Modal-Split in Höhe von 50% erzielt werden soll, muß die weitere Region mittels Direktverbindungen erreicht werden. Hierzu ist eine Neuordnung des Regionalverkehr in Berlin-Brandenburg erforderlich. Es sollten die RE-Linien aus Wismar über Schwerin und Ludwigslust, aus Rostock über Waren/Müritz und Neustrelitz, aus Stralsund über Pasewalk und Prenzlau, aus Stettin über Angermünde und Eberswalde sowie Dessau über Belzig, Potsdam Hbf und Berlin-Wannsee ab Berlin Hbf zu einem 20-Minuten-Takt gebündelt und über die Dresdener Bahn zum Flughafen geführt werden. Die Linie von Dessau über Potsdam sollte über BBI hinaus nach Cottbus durchgebunden werden, wodurch die Landeshauptstadt Potsdam direkt mit dem Oberzentrum Cottbus verbunden wird. Diese Linie sollte im 60-Minuten-Takt verkehren, die anderen alle 120 Minuten direkt zum Flughafen. Nicht anbindbare Relationen erhalten Direktkorrespondenz in Berlin Hbf oder Südkreuz. In BBI sollen keine Züge enden sondern zur Görlitzer Bahn durchgebunden werden. Mit Ausnahme der Züge nach Cottbus fahren die RE-Linien, die über die Nord-Süd-Bahn BBI erreichen weiter über Berlin-Schöneweide, Ostkreuz nach Lichtenberg um von dort über Hohenschönhausen, Karow, Basdorf und Wandlitz schließlich Wandlitzsee zu erreichen. Die Anhalter- und Dresdener Bahn wird durch Züge der sog. Nahverkehrstangente direkt angebunden. Diese beginnen und enden in Ludwigsfelde bzw. Rangsdorf und korrespondieren mit der Linie Dessau – Potsdam – Berlin – BBI - Cottbus in BBI, um eingebunden in den 20 Minuten-Takt, über Berlin-Lichtenberg und Hohenschönhausen nach Bernau bzw. Oranienburg weiterzufahren. Bei einer durchschnittlichen Auslastung von 100 Fahrgästen pro Zug, bei einer parallelfahrenden S-Bahn, die unwirtschaftlich ist, bietet sich der Bau zweier neuer Bahnhöfe an der Alemannen- und der Kirschstraße an, die die S-Bahnhöfe Grünbergallee und Alt-Glienicke ersetzen. Die Gleichstrom S-Bahn würde hierdurch im Abschnitt zwischen Schönefeld und Adlershof substituiert. In Adlershof ist ebenso der Bau eines Bahnsteigs an den Wechselstromgleisen erforderlich. Eine Neuerrichtung weiterer in Friedrichsfelde-Ost, Springpfuhl und Bürknersfelde sind ist zu prüfen. Die Züge in der Relation BBI - Berlin-Lichtenberg – Hohenschönhausen – Oranienburg/Bernau/Wandlitzsee sollten aus Gründen der Daseinsvorsorge als S-Bahn verkehren. Die S8 zwischen Birkenwerder und Blankenburg sollte wegen zu geringer Auslastung aufgelassen werden. Ihre Aufgaben übernehmen die Züge der Relation Templin – Oranienburg – Gesundbrunnen – Nord – Süd - Bahn – Rangsdorf – Wünsdorf-Waldstadt. Hierzu werden am nördlichen Berliner Außenring in Fahrtrichtung Nordwest zwei neue Seitenbahnsteige bei Mühlenbeck-Mönchsmühle und Bergfelde errichtet und die bestehenden S-Bahnsteige an das Wechselstromgleis Richtung Karower Kreuz herangebaut. Die neuen Verbindungen sollten im 60 Minuten-Takt befahren werden. Bei dieser Betriebskonzeption werden am Flughafenbahnhof lediglich zwei Bahnsteige in Fernbahnlänge und ohne S-Bahnsteig benötigt und die östlichen Stadtteile Berlins werden über die vorhandene Trasse durch eine schnelle Express-S-Bahn angebunden.

Konsequenzen für die Ingenieurbauwerke

Jeder Steuerzahler wird sich die Frage stellen, wozu ein unterirdischer Bahnhof mit zwei ICE-Bahnsteigen errichtet werden muß, wenn hier gar kein ICE-Verkehr aufgenommen werden soll! Obendrein wird aber an einer unwirtschaftlichen S-Bahn festgehalten und eine Direktanbindung der Lausitz verhindert.

Stattdessen sollte auf den Bau des Tiefbahnhofs verzichtet und eine Verbindung des Bahnhofs mit dem Flughafenterminal mittels People-Mover geschaffen werden. Hierzu könnte auf die geplante S-Bahn-Trasse zwischen dem heutigen Bahnhof und dem künftigen Terminal zurückgegriffen werden. Für den Umbau des bestehenden Bahnhofs in Schönefeld ist kein Planfeststellungsverfahren notwendig, da kein Grund und Boden außerhalb des Bahngeländes in Anspruch genommen werden muß.

Schlußwort

Die mit der Umsetzung eingesparten Finanzmittel im Bereich des Flughafenbahnhofs ermöglichen zugleich den Bau der sog. Nahverkehrtangente, auf die andernfalls mindestens weitere zwei Jahrzehnte gewartet werden müsste. Zusammen mit dem geplanten Umbau des Bahnhofs Ostkreuz zum S- und Regionalbahnkreuzungspunkt erreichen zugleich Fahrgäste von und nach Frankfurt/Oder den Flughafen BBI viel schneller und bequemer. Es müsste schon ein Wunder geschehen, wenn diese Verkehrskonzeption bei einem standardisierten Bewertungsverfahren einen geringeren Nutzwert erreichen würde als das der offiziellen „Planung“. Bei geringeren Kosten ist deshalb dem erweiterten Konzept Vorrang zu gewähren.

© Berliner Fahrgastverband IGEB e.V.