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Pressemitteilung vom 31. Juli 2013

Verlässlicher als Bahnen und Busse: die VBB-Fahrpreiserhöhungen

In der Berliner Verkehrspolitik gibt es noch eine Konstante: jährliche Fahrpreiserhöhungen. Die nächste tritt morgen in Kraft. Die Begründungen werden routinemäßig nachgereicht, denn sie werden ja ohnehin nicht hinterfragt. Deshalb will Berlins Finanzsenator mit der nächsten Erhöhung auch nicht bis zum 1. August 2014 warten.

Wieder über der Inflationsrate
Zum 1. August 2013 werden die meisten Tarife im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg nach genau einem Jahr erneut erhöht. Die durchschnittliche Erhöhung liegt bei + 2,8 Prozent. Diese Zahl ist für den einzelnen Fahrgast wenig aussagekräftig, zeigt aber, dass die Erhöhung wieder einmal über der Steigerung der allgemeinen Lebenshaltungskosten von rund 2 Prozent liegt.

Jedes Jahr dieselben „Argumente“
Begründet wird die Erhöhung wie jedes Mal mit steigenden Energie- und Personalkosten. Ein Nachweis wird seit Jahren höchstens ansatzweise geführt. In einigen Jahren gesunkene oder zumindest stabile Energiekosten z.B. durch günstige Einkaufskonditionen wurden übergangen. Einsparungen durch Effizienzsteigerungen sind in der Tarifdiskussion kein Thema.

Jedes Jahr dieselben unzulässigen Vergleiche
Getäuscht wird die Öffentlichkeit mit dem Verweis auf ähnlich hohe oder noch höhere Tarife in anderen Verkehrsverbünden. Denn verschwiegen wird, dass das Einkommensniveau in Berlin und Brandenburg deutlich unter dem deutschen Durchschnitt und vor allem deutlich unter dem Niveau von beispielsweise Hamburg, München oder Stuttgart liegt. Diese Differenz wächst in Berlin sogar noch. Für 2011 bilanzierte das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg am 22. Mai 2013, dass „sich die jährliche Vergrößerung des Rückstandes der Einkommen der Berliner gegenüber dem Durchschnitt in Deutschland in den letzten zehn Jahren weiter fortgesetzt“ hat.

Sozial- und umweltpolitische Ziele zählen nicht mehr
Sozial- und umweltpolitische Ziele zählen in der Berliner Verkehrspolitik schon längst nicht mehr, obwohl die Politiker seit Jahren verständliche und bezahlbare Tarife versprechen, die mehr Menschen in Bahnen und Busse locken und damit zur Daseinsvorsorge für Menschen ohne Auto, zum Klima- und Umweltschutz und zur Reduzierung der Verkehrsunfälle und -opfer beitragen sollen. Alle diese Ziele bzw. Argumente sind für die Berliner Verkehrspolitik nachrangig geworden.

Es geht nur noch um das höchstmögliche „Abschöpfen der Zahlungsbereitschaft“
In der Realität geht es längst fast nur noch um die Steigerung der Tarifergiebigkeit. Wenn eine Tariferhöhung dazu führt, dass Fahrgäste auf Auto oder Fahrrad abwandern, aber die Gesamteinnahmen durch die Tariferhöhung dennoch gesteigert werden, hat der Finanzsenator sein Ziel erreicht. Mehr Fahrgäste in Bahnen und Busse zu bringen, ist ein vernachlässigbares Ziel geworden.
Dank wachsender Einwohner- und Touristenzahlen konnten die Fahrgastzahlen zuletzt allerdings trotz Tariferhöhungen gesteigert werden, in Berlin von 2011 zu 2012 über alle Verkehrsmittel um 0,8 Prozent. Aus der Kombination von Fahrpreiserhöhung und mehr Fahrgästen lagen die Mehreinnahmen in Berlin bei 4 Prozent. Diese positive Einnahmeentwicklung hatte den Finanzsenator allerdings nicht davon abgehalten, für 2013 mehr als nur 2,8 Prozent Fahrpreissteigerung zu fordern, weil die Zahlungsbereitschaft der Fahrgäste noch nicht „abgeschöpft“ sei.

Auf Einsparungen, die obendrein die BVG attraktiver machen würden, wird weiterhin bewusst oder fahrlässig verzichtet
Zugleich wird der BVG seit Jahren ein ungenutztes Einsparpotenzial von über 10 Millionen Euro jährlich verweigert, weil ein großer Teil der geplanten Ampelvorrangschaltungen für Straßenbahnen und Busse noch immer fehlt und viele der für mehrere Millionen Euro bereits eingerichteten Vorrangschaltungen
nicht oder nicht richtig funktionieren.

Berlins Finanzsenator will schnellere und stärkere Fahrpreiserhöhungen
Öffentlicher Nahverkehr wird in der Berliner Politik nicht mehr als Aufgabe oder gar Chance für die Stadtentwicklung gesehen, sondern nur noch als Kostenproblem. Deshalb plant der Finanzsenator und BVG-Aufsichtsratsvorsitzende schon jetzt die nächste Tariferhöhung, möglichst noch vor dem 1. August 2014. Als Motivationsschub fungieren die sogenannten Bruttoverträge bei den Vergaben im Regionalverkehr, denn jede Mehreinnahme durch Tariferhöhungen kommt unmittelbar den Landeshaushalten der Länder Berlin und Brandenburg zu Gute. Die BVG profitiert davon allerdings nicht. Sie ist und bleibt unterfinanziert und kann ihr Verkehrsangebot trotz steigender Einwohner-, Touristen und Fahrgastzahlen nicht ausbauen

Christfried Tschepe, Vorsitzender
Jens Wieseke, stv. Vorsitzender
Matthias Gibtner, stv. Vorsitzender

© Berliner Fahrgastverband IGEB e.V.